So sehr ich mir die Situation in Fußball und Gesellschaft anders wünschen würde - an dieser Stelle kann man vielleicht ein bisschen was Positives abgewinnen:
Etwas Nostalgie kommt auch bei mir dahingehend auf, dass in meiner Kindheit die Stadien der 1. und 2. Liga weit weg waren. Das typische Fußballerlebnis bestand in Radio hören am Samstag Nachmittag (Highlight die 15-minütige Schlusskonferenz, vorher oftmals nur die Torschützen genannt), später dann die Sportschau mit Kurzberichten (Anfang der 80er Jahre nichtmal von allen Spielen). Die Spielszenen wurden (wegen der kleineren Fernsehschirme mit unscharfem Bild) meist in Nahaufnahme gezeigt, in den damals meist nicht mal halbvollen Stadien mit Laufbahn und kaum Fangesängen dürfte wohl kaum Publikum im Fernsehen zu sehen und zu hören gewesen sein, vermutlich waren also das damalige Fußballgucken relativ nahe an den jetzigen Geisterspielen (auch wenn ich es nicht mehr so in Erinnerung habe). Und trotzdem habe ich die Bundesliga mit Begeisterung verfolgt und soweit möglich angesehen.
In gewisser Weise stellt zumindest für mich die jetzige Situation - so unschön sie insgesamt ist - trotzdem ein gewisses Back to the roots dar: 1 Ball, 22 Mann, rundrum nix außer Fußball.
Ich nehme an, dass die Variante "Geld zurück" bei individueller Kontaktaufnahme (s. "Offene Fragen") geklärt wird und gehe davon aus, dass der SV die - vermutlich wenigen - Fälle, die das haben möchten auch deutlich schneller bedient als es z.B. bei der Verzögerungstaktik so mancher Fluggesellschaft derzeit der Fall ist.
Persönlich möchte ich mir das Geld nicht auszahlen lassen. Neben dem lokalen Gedanken (vgl. das Überleben hiesiger Geschäfte und Restaurants, indem ich dort Essen bestelle oder Gutscheine kaufe) spricht für mich z.B. dagegen, dass ich die Dauerkartenpreise immer sehr moderat empfunden habe, der Verein außerdem recht großzügig mit Freikarten, Freibier, Weißwurstessen, ... war - da mache ich jetzt gerne auch umgekehrt ein kleines "Geschenk" in einer besonderen Situation.
In gewisser Weise habe ich da ein Déjà-vu: Auch im März sollte erst noch normal weitergespielt werden, dann zumindest einzelne Partien noch mit Zuschauern, dann auch die doch ohne - und dann am besten gar nicht mehr, weil (wie bei unserem Spiel in Aue) Leute im Umfeld positiv waren - und dann der ganze Spieltag und vielleicht auch die ganze Saison nicht mehr... Und so gehe ich tatsächlich auch eher davon aus, dass das mit dem Fertigspielen nicht klappen wird und dass vielleicht sogar schon der Wiederbeginn am nächsten Wochenende wieder komplett gekippt wird.
Was mich in jedem Fall ärgert: Dass man wenn man jetzt - und auch in den nächsten Wochen - tausende Menschen testet, einige positive Fälle finden wird, war nach meinem Verständnis zu erwarten. Konnte man dann wirklich nicht schon im Vorfeld abklären, was dann in welchem Fall die Konsequenz sein wird? Im Fall welcher Vereine es also zum "Dresdner Modell" (alle 2 Wochen in Quarantäne) oder zum "DFL-Modell" (nur die positiv getesteten) kommen wird - und ob so letztlich die geplante Fortsetzung überhaupt möglich ist bzw. mit wie vielen Ausfällen man ggf. wo rechnen muss.
Im Gegensatz zu Don Jorge hätte ich übrigens tatsächlich lieber das DFL-Modell. Warum?
Nach allem, was man von vergleichbaren Testreihen weiß, gehe ich nämlich davon aus, dass man auch in jeder Schule und in jedem Betrieb vergleichbarer Größe einzelne Fälle finden würde, wenn man die gesamte Belegschaft alle paar Tage testen würde. Und wenn es sich dabei um weitgehend symptomlose Fälle handelt, ist dann das Risiko, dass dadurch Menschen angesteckt werden, zu denen diese letztlich doch eher recht losen Kontakt hatten, wirklich so groß, dass das die Schäden rechtfertigt, die man auf der anderen Seite anrichtet, wenn man gleich wieder den ganzen Laden dicht macht?
Nach meinem Kenntnisstand kann diese Frage (Ansteckungsrisiko bei relativ losem Kontakt mit weitgehend symptomfreien Infizierten) - und auch viele weitere, die für wirklich verlässliche Einschätzungen relevant wären - derzeit niemand zuverlässig beantworten. Meist richtet man das Handeln nach meinem Empfinden dann derzeit so aus, dass man bei fehlender Sicherheit vom ungünstigsten Fall ausgeht und alle nur denkbaren Risiken ausschließen will. Man kann das so bewerten, ich akzeptiere diese Auslegung und halte mich dann auch an das, was daraus an Vorgaben und Einschränkungen resultiert. Persönlich hätte ich aber in vielen Fällen gerne eine andere Risikoabwägung, ganz explizit nicht nur im Fußball.
Die meisten von uns teilen wahrscheinlich Argumente beider Seiten, nur in unterschiedlicher Gewichtung. Was mich jedenfalls in der öffentlichen Diskussion der vergangenen Wochen stört ist die Behauptung einer vermeintlichen Sonderrolle für den Profifußball. Ich sehe die an keiner Stelle:
- nicht im Vergleich zum Breitensport: Selbstverständlich sollte erstmal dort, wo Menschen ihren Beruf ausüben und wo die Wirtschaft wieder ans Laufen gebracht werden muss, mehr erlaubt werden (ja, auch mit einem gewissen Risiko) als bei der reinen Freizeitgestaltung und der Verwirklichung von Hobbys. Vor allem halte ich nichts von dem Argument "Wie soll ich meinen Kindern erklären, dass die Profis wieder auf den Platz dürfen, das Bambinitraining aber noch warten muss?" Wenn das auch ansonsten der Maßstab ist (was beruflich tätige Erwachsene dürfen, muss ich doch auch jederzeit jedem Kind erlauben), dann können wir einpacken. - nicht im Vergleich zu anderen Sportarten: Unter den gleichen Auflagen dürften auch Eishockey oder Handball weitermachen. Bei denen spielen aber die Zuschauereinnahmen nun mal eine viel größere Rolle. Dass diese Ligen nicht weiterspielen, folgt letztlich also ebenso rein wirtschaftlichen Überlegungen. - nicht im Vergleich zu den Arbeitsauflagen in anderen Unternehmen: Auch wenn VW-Arbeiter wieder ans Band gehen und Schüler und Lehrer wieder in die Schule, nimmt man dafür in Kauf, dass sich diese Gruppen einem jetzt wieder erhöhten Infektionsrisiko aussetzen. Der Kontakt ist dort zwar nicht so eng, dafür begegnet man Tag für Tag doch wieder mehreren 100 Menschen, die man ansonsten nicht sehen würde, atmet trotz mehr Abstand die gleiche Luft und fasst die gleichen Dinge an. In allen Fällen versucht man nun, Einschränkungen vorzunehmen, die einerseits das Infektionsrisiko senken, andererseits zumindest ein halbwegs vernünftiges Weiterarbeiten ermöglichen. Schüler sitzen dafür weiter auseinander, man lässt sie teilweise Masken tragen und weniger vor Ort sein - Fußballer werden z.B. von Fans, Freunden, teils auch ihren Familien isoliert. - und leider auch nicht im Vergleich zum wirtschaftlichen Agieren in anderen Bereichen: Viele große Konzerne haben die letzten Jahre Milliardengewinne gemacht und können jetzt trotzdem bestenfalls wenige Wochen überbrücken. Wo im Fußball durch die Gehälter der Spitzenverdiener auf Kante genäht wurde, waren das woanders die Gehälter der Topmanager oder die Dividenden der Aktionäre. Verwässerte Spieltage, immer mehr Wettbewerbe, zunehmende Kommerzialisierung entsprechen der "Optimierung" weltweiter Produktionsketten in der Industrie. "Immerhin" schafft es der Spitzenfußball im Vergleich zu vielen Konzernen, ein "weiter unter anderen Voraussetzungen" nun ohne den Schrei nach Staatshilfe hinzubekommen. Nachhaltigkeit spielt aber leider hier wie dort keine große Rolle, was uns wohl in den nächsten Jahrzehnten auch jenseits der Coronakrise noch ganz ordentlich auf die Füße fallen wird.
Gerade beim letzten Punkt würde ich mir sehr Änderungen wünschen. Letztlich liegt das aber an uns als Konsumenten, sowohl beim Fußball als auch in anderen Bereichen.
Ich hoffe, dass - ebenso wie in anderen Wirtschaftsbereichen - auch im Profifußball zumindest all die Vereine überleben, die außerhalb der Coronanotlage eigentlich auf soliden wirtschaftlichen Füßen standen. Zugleich hoffe ich sehr, dass das im millionenschweren Geschäft Spitzenfußball unter dem Strich ohne staatliche Subventionen gehen muss.
Ich würde mir wünschen, dass man die aktuellen finanziellen Einschnitte dadurch auffängt, dass die Vereine Einmalzahlungen erhalten, z.B. nach einem Schlüssel, der eine Basiszahlung plus eine gewisse Staffelung entsprechend der aktuellen Fernsehgeldverteilung berücksichtigt. Die notwendigen Gelder könnte man durch einen Kredit erhalten, den man dann aus den Fernsehgeldern der nächsten 2-3 Jahre abbezahlt, bevor der jeweils verbleibende Rest an die Vereine verteilt wird.
Und für die Zukunft wäre überlegenswert, dass man für unvorhergesehene Notfälle sogar eine Rücklage aus den Fernsehgeldern bildet und den Vereinen dann etwas weniger Geld zum Verpulvern bleibt.
Eine Reduzierung der verteilten Fernsehgelder v.a. in der Spitze würde letztlich "nur" die Millionengehälter der Topverdiener etwas kappen - dadurch natürlich die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesligavereine im internationalen Vergleich schwächen. Damit könnten ich und sicher auch viele andere Fans bei einem solchen Modell aber bestimmt gut leben. Trotzdem wird's wohl ein frommer Wunsch bleiben.
Sehr gute Initiative, die hoffentlich Resonanz findet. Die wirtschaftlichen Auswirkungen machen mir auch große Sorgen, das wird Einschnitte für alle geben und v.a. einzelne Branchen und Unternehmer besonders hart treffen. Jeder der kann sollte hier seinen Beitrag leisten, um die Folgen zumindest etwas abzufedern.
Dieser Aufruf zur Solidarität gilt angesichts der Tatsache, dass man diese Situation wirklich nicht erwarten konnte, und somit auch hier mit den "normalen" Einnahmen der kommenden Monate kalkuliert wurde, kurzfristig auch für den Profifußball: im kleinen Maßstab dem einfachen Fan (keine Eintrittsgelder zurückfordern) und im größeren Maßstab dem hochbezahlten Spitzenfußballer bei Bayern oder Dortmund (Gehaltsverzicht für ein paar Monate dort auch gerne mal im 6-stelligen Bereich). Vielleicht sind darüber hinaus trotzdem noch staatliche Unterstüzungen sinnvoll. Im Gegensatz zum Restaurantbesitzer, Theaterschauspieler oder Taxifahrer würde ich aber vom System Profifußball erwarten, dass diese dann mittelfristig komplett zurückgezahlt werden - und zwar so, dass auch hier die großen (Vereine) den kleinen helfen.
Um es zu konkretisieren (die Zahlen sind jetzt rein exemplarisch): Man könnte doch z.B. mit der Staatskasse eine Vereinbarung treffen, dass man jetzt meinetwegen 2 Mio pro Zweitligaverein und 5 Mio pro Erstligaverein erhält. Dann würde könnte man relativ sorglos durch die nächsten Monate kommen und müsste keine Mitarbeiter entlassen. Zugleich könnte man zusichern, von den TV-Geldern diesen Betrag (oder gerne auch das Doppelte oder Dreifache, um ein gesellschaftliches Zeichen zu setzen) in den kommenden 2-3 Jahren aus den dann ausgezahlten TV-Geldern zurückzuzahlen, bevor der Rest an die Vereine verteilt wird. Und bei der Verteilung dann bitte so umplanen, dass die Gelder v.a. bei den Spitzenvereinen gekürzt werden (und das sage ich als Bayernfan).
Die mittelfristige Konsequenz wäre letztlich dann nur die, dass sich die Spitzenvereine bei Ablösesummen und Gehälter nicht mehr in den aktuell wahnwitizigen Dimensionen überbieten könnten, manch Topfußballer also vielleicht nur noch 5 statt 10 Mio. Jahresgehalt hätte, letztlich also zugleich eine Rückkehr zu etwas mehr Normalität da wäre. Der Fußball, den wir sehen würden, wäre trotzdem noch genausogut - zumindest dann, wenn man sich im Idealfall europaweit auf so ein Vorgehen verständigen könnte. Selbst wenn letzteres nicht der Fall wäre und man einen solchen Schritt nur innerhalb von Deutschland gehen könnte, wäre es die Sache mehr als Wert - dann wäre es zumindest mir auch völlig egal, wenn dadurch die Bundesligavereine über einige Jahre auf europäischer Bühne abgehängt wären.
Ja, derzeit über verpasste Fußballspiele zu jammern, wäre wirklich unangebracht. Trotzdem zeigt sich gerade auch beim Thema Fußball, wie sich innerhalb von Tagen alles geändert hat. Beispiele:
Für den 4.4. war eigentlich geplant, dass ich meinen Sohn nach Frankfurt zum Flughafen bringe, dann das SV-Auswärtsspiel in Wiesbaden schaue und dort danach noch Freunde treffe. Vor 3 Wochen noch völlig normale Vorhaben, heute eine Kombination aus 3 völlig abwegigen Gedanken.
Im Februar hat es mich noch geärgert, dass beide SV-Heimspiele dorthin terminiert wurden, wo ich an den Wochenenden andere Termine hatte. Jetzt würde ich es sofort unterschreiben, wenn mir jemand anbieten würde, dass ich in dieser Saison überhaupt noch ein SV-Heimspiel sehen kann. Auch wegen Fußball, ja - aber v.a. weil sich dann die Gesamtsituation erfreulich schnell entspannt hätte.
... und deshalb verstehe ich auch nicht, warum man nicht zumindest diesen einen Geisterspieltag noch durchgezogen hat, bei dem die Mannschaften ja im Prinzip eh schon vor Ort waren. Das Risiko für zusätzliche Infektionen heute/ morgen auf wenigen sehr geräumigen und gut durchlüfteten Plätzen mit jeweils 25 Akteuren (inkl. Schieds- und Linienrichtern), dazu noch ein paar Offiziellen außenrum wäre sicher um ein Vielfaches geringer gewesen als wenn man am Montag jetzt in BW nochmal Zigtausend Schüler und Lehrer zusammentreten lässt. Und in der Gesamtheitbevölkerung behaupte ich, dass das sogar die Infektionszahlen reduziert hätte, weil dann ein paar Millionen Leute brav im heimischen Wohnzimmer vor der Sky-Gratisübertragung gesessen hätten und davon jetzt viele eben irgendwo unterwegs sind.
Nochmal: Ich kann alle Besorgnis verstehen, und will nichts verharmlosen. Bei vielen einzelnen Maßnahmen habe ich aber das Gefühl, dass nicht gründlich genug geschaut wird, ob das wirklich am Ende unter dem Strich etwas bringt.
Ich gehe auch von einer Absage der EM aus. Und tatsächlich würde sie mir diesmal auch weniger fehlen als Bundesliga oder Champions League, die ich beide sehr gerne fortgesetzt sehen möchte. Dieses paneuropäische Konzept hat mir persönlich auch nie gefallen. In der aktuellen Situation kommt einem das aber entgegen: Denn es fällt sicher leichter, in mehreren Ländern jeweils einzelne Spiele in bestehenden Stadien zu streichen als z.B. Olympische Spiele abzusagen, für die in Tokyo eigens viele Milliarden für neue Sport- und Wohnstätten investiert wurden.
Ohne EM wären ca. 6 Wochen gewonnen. Ob in diesem Zeitraum wirklich schon die Infektionswelle durch ist, ist die große offene Frage der kommenden Wochen, nicht nur für den Fußball. Weitere 2 Wochen könnte man z.B. dadurch gewinnen, dass man Viertel- und Halbfinalspiele von Europa League und Champions League in jeweils nur einer einzigen Partie austrägt - dann könnte man dafür 2 englische Wochen in den Ligen einlegen.
In jedem Fall müssen wir wohl davon ausgehen, dass man nun erstmal die Entwicklung bis Anfang April abwarten wird und auch in den darauffolgenden Wochen so wie schon in den letzten Tagen jeweils sehr kurzfristig (um)entschieden wird, wie es weitergeht.
Zitat von Don Jorge im Beitrag #44...und schon isses so weit: 1. und 2. Bundesliga stellen ab Dienstag ihren Betrieb ein. Erstmal bis zum 2. April.
Ja, seit gestern geht die Tendenz eindeutig dahin, dass jetzt tatsächlich für 3-4 Wochen alles nur Erdenkliche dicht gemacht wird und dass wir den italienischen oder chinesischen Verhältnissen zumindest nahe kommen. Mal schauen, was heute noch so alles verkündet wird.
Wenn man jetzt wirklich konsequent ist und z.B. Schulschließungen nicht auf einzelne Bundesländer beschränkt, könnte ich mir auch tatsächlich vorstellen, dass das nachhaltig Erfolg hat.
Im Ernst: Wir würden uns glaube ich alle viel lieber über Fußball und die nächsten Spiele unterhalten. Und hier leugnet ja keiner die Ernsthaftigkeit der Thematik. Und die hier geäußerten unterschiedlichen Sichtweisen auf das, was zu welchem Zeitpunkt gemacht werden sollte, bewegen sich auch durchaus im Rahmen der unterschiedlichen Einschätzungen, die es auch bei echten Experten außerhalb des Forums gibt - und die letztlich alle das Beste wollen. Insofern sehe ich kein Problem darin, dass wir uns auch hier über das austauschen, was im Moment alle bewegt.
Wenn sich die Diskussionen dann bald wieder um Taktik, Stimmung im Stadion, Abstiegskampf... drehen, ist uns allen das sicher recht. Aber auch dann gilt: Wenn man sich nur noch über das diskutieren darf, was man selbst unmittelbar beruflich macht, dann können wir auch in den Zeiten nach Corona das Forum dicht machen.
Zitat von Rec im Beitrag #5Das Gesundheitsamt fordert die Absage, nicht nur Aue selbst.
Zumindest wenn man der Quellenlage im Post von Connor glauben darf, wurde ja gerade diese Empfehlung vom Gesundheitsamt nicht gegeben, sondern eben nur die aktuell übliche Variante "Spiel ohne Zuschauer".
Falls (!) es tatsächlich so sein sollte, dass die Auer Verantwortlichen da aus zwar nachvollziehbaren, aber dennoch eigennützigen Gründen mehr draus machen wollten, dann finde ich das ziemlich daneben und unsolidarisch. Denn schließlich müssen andere Vereine jetzt am Wochenende auch durch die Geisterspiele und ansonsten auch durch Verletztenmiseren durch. Und generell versuchen die zuständigen Stellen (nicht nur im Fußball) in der sicherlich nicht einfachen Abwägung aller Randbedingungen die für Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft besten Wege zu definieren. Da sollten dann nicht Einzelne aus individuellen Interessen heraus ausscheren.
Ich sehe es nach wie vor so: Um die letztlichen Erkrankungs- und Todeszahlen wirklich gering zu halten, müsste man ganz konsequent für einige Wochen alles nur Mögliche dicht machen (inkl. Schulen, Restaurants, auch kleinere Versammlungen u.ä.). Wenn man dazu nicht bereit ist und Einschnitte nur in der aktuellen Größenordnung vornehmen möchte, dann könnte man andererseits damit noch abwarten, da dann der Zeitpunkt des Beginns m.E. die abschließenden Zahlen nicht verändern wird und ich mir ziemlich sicher bin, dass wir noch relativ weit von den höchsten Infektionsraten entfernt sind.
Ich will übrigens wirtschaftliche Überlegungen nicht komplett verteufeln. Schon jetzt wird das Unternehmen und Staat Milliarden kosten, früher oder später auch zu Gehaltseinbußen und Entlassungen führen, bei weitem nicht nur im Profifußball. Dieses Geld ist z.B. auch für ein in den kommenden Jahren noch funktionierendes Gesundheitssystem, für medizinische Forschung oder für den Ausbau erneuerbarer Energien notwendig. Jede Milliarde, die dort fehlt, wird letztlich auch Menschenleben kosten, auch wenn der Zusammenhang dann nicht so unmittelbar erkennbar ist.
Im Moment sieht es schwer danach aus, dass man sich diese Mühen sparen kann. Es läuft ja alles auf Saisonabbruch hinaus. Die aktuellen Vorgaben zur Quarantäne von Kontaktpersonen lassen kaum eine andere Möglichkeit zu.
Ich bin sehr gespannt, wie man damit sowohl kurz- als auch mittelfristig umgehen will, im Fußball und im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben allgemein. Denn bis wir eine Situation erreichen, in der die Anzahl der Neuinfektionen wieder unter den aktuellen Stand sinken wird, werden aller Voraussicht nach mehrere Monate vergehen.
Dass wir uns hier noch über unser Restprogramm der letzten Spieltage oder über die Sperrung eines einzelnen Auswärtsblocks in Sinsheim unterhalten haben, kommt einem irgendwie schon wieder ziemlich lange her vor...
Es gibt im Moment in Deutschland gut 2000 bestätigte Infektionen, noch nicht getestete bereits Infizierte und solche, die mangels deutlicher Symptome gar nicht getestet werden, sind in dieser Zahl nicht drin. An einem typischen Spieltag besucht im Schnitt etwa jeder 100. Bewohner Deutschlands ein Stadion der 1. oder 2. Liga.
Nimmt man diese Zahlen zusammen, dann muss man davon ausgehen, dass am letzten Spieltag eine gute Handvoll Infizierter in verschiedenen Bundesligastadien war.
Man kann darauf so oder so reagieren, diese oder jene Maßnahmen ableiten. Jetzt aber völlig überrascht zu tun und die Situation komplett anders zu bewerten, nur weil sich das zu Erwartende durch einen Test bestätigt hat, das verstehe ich nicht.
Diese Forderung nach einer Komplettabsage verstehe ich nicht.
Gestern musste man realistisch betrachtet auch schon damit rechnen, dass unter den Zuschauern und unter den sonstigen Personen in den Verkehrsmitteln auf dem Weg ins Stadion der eine oder andere Infizierte sein kann. Trotzdem war es noch kein Problem, das Spiel mit tausenden Zuschauern auszutragen. Heute weiß man nun von 2 Infektionen - und kann es dann nichtmal mehr den 22 (individuell im PKW anreisenden) Akteuren auf dem Rasen zumuten, zu einem Geisterspiel anzutreten?
Wenn ich mir die Gesamtsituation anschaue (Quarantäne der Mannschaft, sobald eine Kontaktperson infiziert ist; Absage der kommenden Spieltage nun auch in Spanien), gehe ich aber inzwischen davon aus, dass auch in 1./2. Bundesliga maximal noch der nächste Spieltag wie angesetzt über die Bühne gehen wird.
Unschön ist es in jedem Fall. Virologen gehen allerdings von einer Todesrate von etwa 0,7% aus. Dass der Anteil der Todesfälle an allen bekannten Fällen in manchen Ländern im Bereich 3,5% liegt, dürfte daran liegen, dass viele Infizierte mit leichten Symptomen nie getestet wurden, somit nicht in der Statistik auftauchen.
Einerseits gibt es Fakten, die man natürlich nicht leugnen kann. Das betrifft z.B. die Tatsache, dass die vergangenen Jahre weltweit signifikant wärmer waren als im Durchschnitt des 20. Jahrhunderts, oder dass ein höherer CO2-Gehalt der Atmosphäre den Treibhauseffekt verstärkt - oder eben auch, dass wir einen neuen Virus haben, der für einen gewissen Anteil der Erkrankten lebensbedrohlich ist. Dies alles lässt sich relativ gut in Zahlen fassen, nicht wegdiskutieren und sollte nicht unterschätzt werden.
Darüber, welche Maßnahmen nun notwendig bzw. zu welchem Zeitpunkt in welcher Kombination unter dem Strich überhaupt zielführend sind, darf aber durchaus diskutiert werden. Da gehen sowohl beim Klimawandel als auch aktuell beim Coronavirus auch die Meinungen der - nicht nur selbsternannten - Experten auseinander.
Wenn die aktuellen Annahmen stimmen, dass man nach einmaliger Infektion immun ist und dass es diesem Virus relativ egal, wenn der Frühling kommt, dann ist die Rechnung eigentlich relativ einfach: Die Verbreitung wird genau dann zurückggehen, wenn ein Erkrankter im Durchschnitt weniger als einen Gesunden anstecken kann.
Trifft man keinerlei Maßnahmen zur Eindämmung, dann steckt wohl jeder Erkrankte potentiell 3 weitere Personen an. Lässt also alles einfach laufen, müssten dann erstmal gut 2/3 der Bevölkerung den Virus mitnehmen (bei einem guten Teil davon wohl weitgehend symptomfrei), damit unter diesen 3 Kontaktpersonen statistisch weniger als einer dabei ist, der neu infiziert werden kann. Mit einer Inkubationszeit von wenigen Tagen und einer Verdoppelung der Fallzahlen innerhalb von etwa einer halben Woche wäre dieser Zustand nach wenigen Monaten erreicht.
Nun kann man einschränkende Maßnahmen wie das Verbot von Großveranstaltungen für eine Veränderung dieser Zahlen sorgen. Senke ich z.B. die Anzahl potentieller Ansteckungen auf 2, dann muss letztlich "nur" noch die Hälfte der Bevölkerung den Virus abbekommen, damit eine ausreichende Immunisierung erreicht ist. Ab dem Moment, an dem ich entsprechende Maßnahmen verordne, verläuft der Anstieg zwar langsamer - letztlich lande ich aber trotzdem bei dieser notwendigen Hälfte der Bevölkerung, egal ob ich diese nach tausend oder erst nach 10 Millionen Fällen verordne. Deshalb wäre es aus meiner Sicht auch sinnvoller, entsprechende Einschränkungen erst dann zu verordnen, wenn die neu hinzukommenden Fälle wirklich eine Zahl erreicht haben, an der es für die medizinische Versorgung kritisch wird. Denn kann und will man das gesellschaftliche Leben tatsächlich über einen Zeitraum von mehreren Monaten lahm legen?
Speziell für die ältere Bevölkerung ist der Coronavirus wohl schon deutlich gefährlicher als die Influenza. Dieser Bevölkerungsgruppe ganz besonders anzuraten, für einen gewissen Zeitraum wenn irgend möglich auf alle Aktivitäten in Gesellschaft zu verzichten, halte ich auch für sinnvoll. Und das scheint mir eben auch wiederum schwieriger durchzuhalten, wenn man den Verlauf der Erkrankungswelle bereits jetzt deutlich verzögert.
Alternativ kann man es so machen wie wohl die Chinesen und aktuell die Italiener: Man geht so drastisch vor, dass jeder Erkrankte von vorneherein potentiell weniger als einen neuen anstecken kann. Dann läuft die Welle auch schon bei relativ kleinen Fallzahlen aus. Allerdings stellt sich dann eben auch die Frage, ob es nicht von neuem losgeht, sobald man diese Maßnahmen wieder lockert.